Bereicherndes Eindenken ins proportionale und duodezimale Denken und Arbeiten.

«Im Jahre 1789 stellte eine Anzahl französischer Städte […] bei der constituirenden Versammlung den Antrag auf Abschaffung der vielerlei verschiedenen Masse. Diese fasste am 8. Mai 1790 den Beschluss, den König zu ersuchen, er möge in Gemeinschaft mit dem König von England durch Comissarien der gelehrten Körperschaften diese Massreform berathen lassen.» Salzburger Zeitung; Mittwoch, 5. Juli 1871; Nichtamtlicher Theil.

Dieser Ausschnitt stammt aus einem Artikel desselben Jahres, in dem in Österreich das metrische Einheitensystem eingeführt wurde. Er beleuchtet die erste Initiative zum einheitlichen Mass in Frankreich und deren Fortlauf, und zeigt die Herleitung der metrischen Definition (1 Meter als zehnmillionster Teil des Erdmeridianquadranten) auf. Seit der gesetzlichen Einführung des Meters in Paris 1799 zogen die umliegenden Länder langsam nach, Dänemark war das letzte kontinentale europäische Land, das 1907 das metrische Dezimalsystem annahm, das vereinigte Königreich befindet sich seit Jahren in der Umstellung.

Vor der Einführung des metrischen Einheitensystems arbeiteten die Handwerker Europas mit lokal definierten Massstäben, dem (Werk-)Schuh/Fuss oder der Elle (die Elle als Grundmassstab war vor allem bei Schneidern und in anderen textilen Professionen verbreitet). Die Fuss- und Ellenlänge des Bezirks war als Referenz meist an einem öffentlich zugänglichen Ort wie beispielsweise dem Rathaus oder der Kirche angebracht. Solange regional gearbeitet wurde, stellte die Vielfalt der Masse kein Problem dar, doch sobald ortsübergreifende Projekte angepackt wurden, musste man sich auf einen gemeinsames Grundmass einigen. Mit dem Fortschreiten der Industrialisierung wurde ein einheitlicheres Masssystem dringlich.

Jakob Stainer (*1619 oder *1621 – †1683) arbeitete wahrscheinlich, wie alle Handwerker seiner Zeit, mit einem Zollstock und/oder dem Zirkel als Messwerkzeug. Ob er Violoncelli baute, wurde lange angezweifelt, da aus dokumentarischer Sicht keine eindeutigen Bezeichnungen hervorgehen. Heute belegen dendrochronologischen Untersuchungen, dass die Decke des hier behandelten Cellos von 1673 aus dem gleichen Fichtenstamm wie eine Viola da Gamba und eine Violine seiner Hand desselben Jahres gefertigt wurde, was einen Hinweis darauf sein kann, dass es seinen Zettel nicht umsonst trägt.

In Formensprache, Bauweise und Präzision fügt sich das Cello von 1673 mühelos in Stainers Arbeit ein. Die Linien- und Wölbungsführungen sind konsequent von einer unaufdringlichen Leichtigkeit; und in den Details – Einpassung der Einlage, Ausformung der Ecken, Schnitt der FF, Reifcheneinlass in die Klötze, Rundung der Ränder, Stich der Schnecke und ihrer Kehlung – von einer meisterlichen Präzision.

Stainers präzise Arbeitsweise lässt es überhaupt erst zu, sich Gedanken zu seinen Proportionen zu machen; hätte er freier gearbeitet, wären Rückschlüsse nur mit einer geringeren Wahrscheinlichkeit möglich.

Das Violoncello von 1673 fiel leider, wie sehr viele andere zeitgenössische Instrumente, einem wenn auch meisterlich ausgeführten so doch radikalen Umbau zum Opfer: Es wurde von oben und unten «beschnitten», vermutlich um es in seiner Grösse handlicher zu machen und den neuen Ansprüchen an ein Cello-Soloinstrument zu genügen. Der Zeitpunkt des Umbaus ist nicht überliefert, wird aber im 19. Jahrhundert liegen. Verloren gingen die ursprünglichen Proportionen und Umrisslinien, einzig die Mittelpartie der C-Bügel ist unberührt – was dafür spricht, dass der Eingriff geringer war als bei anderen Instrumenten: Das Cello muss nur wenig seiner ehemaligen Körperlänge eingebüsst haben.

Aufbauend auf dem unveränderten Mittelteil wurde hier eine Rekonstruktion des wahrscheinlichen Umrisses angestrebt, sodass das Instrument proportional verkleinert aber ohne Einbusse seiner Harmonie nachgebaut werden konnte. Die Ausführung erfolgte konsequent mit einem Innsbrucker Zollstock und dem Zirkel im proportionalen und duodezimalen System.

Barockcello-Eigenbau von Pedrazzini Lardon